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EU-Kommission: Strategie zur Förderung von Start-ups & Scale-ups

Prof. Dr. Christian Zwirner
22.07.2025
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Mit ihrem Strategie-Papier vom 28. Mai 2025 will die EU-Kommission Europa zum globalen Zuhause für technologiegetriebene Start-ups und Scale-ups machen. Mit der neuen EU-Start-up und Scale-up-Strategie setzt die EU-Kommission gezielt auf wachstumsorientierte Maßnahmen wie einen vereinfachten Rechtsrahmen, Start-up-spezifische Finanzierungsinstrumente und eine systematische Förderung von Talenten. Das umfassende Maßnahmenpaket soll nicht nur nachhaltiges Wachstum und mehr Innovation, sondern auch Europas wirtschaftliche Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit im globalen Innovationswettlauf stärken.

Start-ups und Scale-ups gehören zu den vielversprechenden Wirtschaftsmotoren für die EU, indem sie Innovationen vorantreiben, hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen, Investitionen anziehen und nachhaltiges Wachstum fördern. Dennoch bestehen gravierende Herausforderungen: Viele junge Unternehmen scheitern daran, ihre Ideen vom Papier oder Labor auf den Markt zu bringen oder stoßen bei der Expansion im EU-Binnenmarkt auf Hindernisse wie komplexe Regelungen, fragmentierte Vorschriften oder mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten.

Die EU-Start-up- und Scale-up-Strategie, vorgestellt am 28. Mai 2025, adressiert diese Schwächen. Stéphane Séjourné, Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie, erklärte: „Unternehmen, die in Europa gegründet werden, müssen in Europa wachsen.“ Mit diesem Ziel will die EU durch zentrale Reformen, bessere Finanzierungsmöglichkeiten und weniger Bürokratie eine wirtschaftliche Struktur schaffen, die Start-ups und Scale-ups in jeder Phase ihres Lebenszyklus – von der Gründung bis zur Expansion – unterstützt.

Start-ups vs. Scale-ups

Start-ups sind junge, innovative Unternehmen, die oft mit geringen Mitteln gegründet werden, aber das Potenzial haben, durch technologische oder geschäftsmodellbezogene Neuerungen schnell zu wachsen. Scale-ups hingegen repräsentieren die nächste Entwicklungsstufe: Sie haben die Anfangsphase erfolgreich gemeistert und verfügen über die Fähigkeit sowie die Marktreife, signifikantes Wachstum zu erzielen – sowohl in Bezug auf Umsatz als auch Mitarbeiterzahlen.

Scale-ups gelten als entscheidend für die Schaffung neuer Märkte, die Förderung technologischer Souveränität und die Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit Europas. Jedoch stoßen gerade Scale-ups häufig auf Finanzierungsengpässe im Bereich von Investitionen ab 100 Millionen Euro und kämpfen mit regulatorischen Barrieren, die internationale Expansionen erschweren. Um diese Unternehmen im Binnenmarkt zu halten und sie an der Schwelle zum globalen Durchbruch zu unterstützen, sind gezielte Maßnahmen erforderlich, die weit über die Unterstützung klassischer Start-ups hinausgehen.

Strategie der EU-Kommission:

Um diesen wichtigen Wachstumsmotor, der durch die Start-ups und Scale-ups in der EU „betrieben“ wird, zu entlasten, fokussiert sich die EU-Kommission in ihrer Strategie auf insgesamt fünf Säulen, welche durch eine Vielzahl an Maßnahmen, welche beginnend ab Q3 2025 bis 2027 umgesetzt werden sollen, getragen werden:

  1. Förderung eines innovationsfreundlichen Umfelds: Eine zentrale Maßnahme stellt hierbei das sog. „28. Regime“ dar. Diese freiwilligen, einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für Start-ups und Scale-ups sollen die Gründung und den Betrieb von Unternehmen in der EU erheblich erleichtern. Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht werden harmonisiert und vollständig digital abrufbar gemacht, sodass Verwaltungs- und Gründungsprozesse innerhalb von 48 Stunden durchgeführt werden können. Ziel ist es, die rechtliche Fragmentierung im Binnenmarkt zu überwinden und die Kosten des Unternehmertums, insbesondere bei einem Scheitern, signifikant zu senken.
  2. Bessere Finanzierungsmöglichkeiten: Die Finanzierungsmöglichkeiten sollen besser auf die Bedürfnisse schnell wachsender Unternehmen ausgerichtet sein. Hierfür wird der Scale-up Europe Fonds eingerichtet, um vor allem Großfinanzierungsrunden ab 100 Millionen Euro zu fördern – ein Segment, das derzeit als unterversorgt gilt. Der Fokus liegt auf strategischen Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Biotechnologie und nachhaltiger Energie. Der bereits bestehende Fonds zur Förderung disruptiver Technologien (Europäischer Innovationsrat) wird erweitert und vereinfacht, um schneller auf die Bedürfnisse von Innovatoren reagieren zu können. Zudem sollen institutionelle Investoren wie Pensions- und Versicherungsfonds durch gezielte Anreize mobilisiert werden, größere Anteile ihres Portfolios in Risikokapitalfonds und Scale-ups zu investieren.
  3. Schneller Marktzugang und Expansion: Im Fokus steht hierbei v. a. die „Lab-to-Unicorn-Initiative“. Diese Maßnahme soll universitäre Innovationszentren stärker vernetzen, um die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen und die Gründung von Spin-offs zu fördern. Sie umfasst Konzepte für Lizenzgebühren, Erlösaufteilungen und die Beteiligung von Forschenden an Unternehmen. Zusätzlich soll es eine Vergaberechtsreform für öffentliche Ausschreibungen geben, welche Start-ups den Zugang zu diesen vereinfacht. Außerdem soll es durch das European Corporate Network ermöglicht werden, dass sich Start-ups und Scale-ups mit etablierten europäischen Unternehmen vernetzen, um neue Kunden zu gewinnen, ihre Geschäftsmöglichkeiten auszuweiten und von bestehenden Lieferketten zu profitieren.
  4. Anwerbung und Bindung von Spitzenkräften: Teil dieser Säule ist es, durch die Blue Carpet Initiative den Zugang hochqualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten durch schnellere Visa- und Arbeitsgenehmigungsverfahren, insbesondere für innovative Gründer, zu erleichternGleichzeitig sollen steuerliche und bürokratische Hemmnisse für grenzüberschreitende Remote-Arbeitsplätze reduziert werden.
  5. Infrastrukturmaßnahmen: Hierzu zählt unter anderem eine EU-weite digitale Zugriffsplattform, die Start-ups, KMUs (kleine & mittlere Unternehmen) und Scale-ups mit Forschungszentren, Technologien und Beratungsdienstleistungen verbindet. Sie dient als zentrale Anlaufstelle für alle wichtigen Informationen und Ressourcen. Gleichzeitig wird eine Zugangs-Charta für industrielle Nutzer eingeführt, welche durch Harmonisierung der Zugangsbedingungen zu öffentlichen und privaten Forschungsinfrastrukturen gleiche Wettbewerbsbedingungen für Start-ups schafft und die Nutzung wichtiger Ressourcen erleichtert.

Erwartungen an die Strategie

Mit ihrer EU-Start-up- und Scale-up-Strategie setzt die Europäische Kommission ein ambitioniertes Ziel: Europa soll ein global führender Standort für Innovation und Unternehmertum werden. Die geplanten Maßnahmen sind umfassend und adressieren zentrale Probleme wie komplexe Regulierungen, mangelnden Marktzugang und Herausforderungen bei der Finanzierungsbeschaffung.

In der Praxis zielt die Strategie darauf ab, die Gründung und Expansion von Technologieunternehmen in der EU deutlich attraktiver zu machen. Besonders das 28. Regime als geplanter optionaler Rechtsrahmen der EU könnte für einheitliche Rahmenbedingungen sorgen und die Unternehmensgründung vereinfachen. Durch verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten wie den Scale-up Europe Fonds soll die Abwanderung vielversprechender Scale-ups ins Ausland verhindert werden.

Wirtschaftsakteure erwarten zudem positive Impulse durch die vereinheitlichten Vergabeverfahren und die Lab-to-Unicorn-Initiative, die Universitäten stärker ins Start-up-Ökosystem einbindet. Gleichzeitig liegen große Hoffnungen auf der Harmonisierung von steuerlichen und rechtlichen Aspekten bei der grenzüberschreitenden Arbeit und Mitarbeiterbeteiligung.

Doch auch Herausforderungen bleiben: Die Mitgliedstaaten müssen die Maßnahmen auf nationaler Ebene umsetzen; und die fragmentierten Kapitalmärkte innerhalb der EU stellen weiterhin strukturelle Hürden dar. Klar ist aber auch, dass die Ansätze der EU zur Reduktion von Bürokratie, zur Flexibilisierung von Rahmenbedingungen und zur Erleichterung von Finanzierungsmöglichkeiten in die richtige Richtung gehen, um Europa wettbewerbsfähig und attraktiv für Start-ups und Scale-ups zu gestalten.